Die Männer, die den Tod vom Himmel holen (2024)

Drohnenabwehr in Odessa Die Männer, die den Tod vom Himmel holen

Von Sergey Panashchuk, Odessa 20.06.2024, 12:12 Uhr

Zuerst hört man das Dröhnen. Man hört es aus einer Entfernung von drei Kilometern. Dann muss man die Richtung herausfinden: Kommt die Drohne direkt auf einen zu oder nicht? Und dann muss man sie abschießen - sonst schießt sie dich ab.

Iranische Drohnen, die von Russland eingesetzt werden, bringen der Ukraine Tod und Leid: Zuerst sind sie nicht zu sehen, nicht zu hören, aber dann verringern die Drohnen ihre Höhe auf 100 bis 30 Meter (ein Haus mit neun Etagen hat eine Höhe von ungefähr 30 Metern, Anm.d.Red.), wenn sie in die Stadt kommen. Jeder in Odessa kennt das erschreckende und eiskalte Geräusch über dem Kopf, das an eine Kettensäge oder einen Rasenmäher erinnert. Es ist das Geräusch des Todes, das regelmäßig gesendet wird, um Zivilisten in friedlichen ukrainischen Städten von oben zu terrorisieren, zu erschrecken und zu töten.

Am Silvesterabend in Odessa tötet eine Drohne einen 13-Jährigen, als sie in seine Wohnung stürzt. Im März trifft eine Shahed-Drohne einen Wohnblock und tötet zwölf Menschen, darunter fünf Kinder. Eine Woche später bin ich mit einem Freund am Ort der Katastrophe.

Ein Teil des neunstöckigen Gebäudes liegt in Grund und Boden. An der Wand einer Wohnung hängt noch ein großes Bild einer Frau und eines Babys. Während wir vor dem Haus stehen und uns fragen, wer das ist, kommt ein Mann Ende 20 auf uns zu. "Diese Frau ist meine Frau und das Baby ist mein vier Monate alter Sohn Timophey. Sie sind jetzt weg", sagt er. Wir sind zu Tränen gerührt und können nichts anderes tun, als den jungen Mann zu umarmen und uns zu vergewissern, dass er Hilfe von der Regierung und humanitären Organisationen erhält.

Menschen gegen Drohnen

Bei der Luftverteidigung geht es um Leben und Tod. Dieses Baby und seine Mutter hätten am Leben bleiben können, wenn wir eine stärkere Luftabwehr gehabt hätten. Aber es gibt ein riesiges Defizit und Flugabwehrraketen sind sehr teuer. Aus diesem Grund setzen örtliche Drohnenabwehrteams Maschinengewehre ein. Denn das Einzige, was den tödlichen Shahed-Drohnen standhält, sind Menschen, die die Drohnen abschießen. Ich habe ein paar Nächte bei einer Freiwilligeneinheit verbracht, die Jagd auf die fliegenden Todesmaschinen macht.

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Das Team besteht aus elf Personen, die im Schichtdienst unter dem Kommando eines Soldaten mit Kampferfahrung in verschiedenen Kriegsgebieten und dem Callsign "Krasavchik" ("Der Hübsche") arbeiten. Shahed-Drohnen sind schwer zu treffen, weil sie modifiziert und schwarz lackiert werden. "Die meisten Angriffe ereignen sich nachts, und diese Drohnen zu orten ist genauso schwierig, wie eine schwarze Katze vor einem schwarzen Hintergrund zu erkennen", erzählt der Kommandant.

Der Dienst der Drohnenabwehreinheit besteht hauptsächlich aus Warten und Training, aber wenn der Alarm kommt, sind sie zu allem bereit, um ihre Stadt zu schützen. "Wir wissen, was zu tun ist. Wir haben uns seit Beginn der russischen Invasion als Team zusammengetan und der Polizei und dem Militär dabei geholfen, in der Stadt zu patrouillieren, nach russischen Maulwürfen und Spionen zu suchen und die Ordnung aufrechtzuerhalten", sagt ein anderes Teammitglied mit dem Callsign "Captain". Die ersten Drohnenangriffe begannen im September 2022 mit dem Angriff auf Odessa. Die Freiwilligeneinheit kämpft seit November 2023 gegen die Shaheds.

Kein besserer Lohn

Zuerst hört man das Dröhnen. Man hört es aus einer Entfernung von drei Kilometern. Dann muss man die Richtung herausfinden: Kommt die Drohne direkt auf einen zu oder nicht? "Als wir anfingen, gegen die Drohnen zu arbeiten, drehte sich zunächst alles um Mathematik. Wir mussten die Geschwindigkeit einer Kugel berechnen und die Geschwindigkeit des Shahed", erzählt "Krasavchik". Mindestens zwölf Drohnen hätten sie inzwischen abgeschossen.

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Die Männer kaufen ihre Schutzausrüstungen selbst und bezahlen auch den Treibstoff aus eigener Tasche. Die meisten Teammitglieder haben normale Jobs und erhalten keine Bezahlung für ihre Arbeit im Freiwilligendienst. Ihr "Lohn" ist ein anderer: "Es gibt kein besseres Gefühl, als wenn dein Team eine Drohne abschießt", sagt "Krasavchik". "Es gibt nichts Bedeutenderes als das", sagt ein weiteres Teammitglied mit dem Callsign "Matros" ("Seemann"). "Wenn wir noch mehr solcher Einheiten und mehr Luftverteidigung hätten, könnten wir unsere Kinder und Frauen besser schützen", ergänzt "Matros".

Am nächsten Tag macht "Krasavchik" mit seinen Kindern einen Spaziergang durch die Stadt. "Ich sehe andere Kinder und Mütter und bin froh, weil ich weiß, dass wir die Drohne abgeschossen haben, die in diese Richtung flog. Ich freue mich, dass wir die Kinder geschützt haben."

Übersetzt von Sabine Oelmann

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